Darm – Hirn – Achse
Mir ist oft gar nicht bewusst, dass Begriffe meines täglichen Sprachgebrauchs für jemanden, der damit nicht vertraut ist, oft schwer zu fassen sind.
Nachdem die Darm – Hirn – Achse ein sehr zentrales Element der komplementären und klassischen Medizin ist, möchte ich an dieser Stelle näher darauf eingehen und mein bestes tun, um gut verständlich darzustellen, warum gut funktionierende Achsen so wichtig für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit sind.
Was verbindet auf scheinbar magische Weise Darm und Gehirn?
Die Nervenzellen beider Strukturen entwickeln sich aus dem selben Gewebe und auch wenn sie im Laufe der Differenzierung räumlich voneinander getrennt werden, so bleiben sie doch untrennbar miteinander verbunden.
Wir kennen schon lange die Begriffe “Bauchhirn” und “Kopfhirn”. Mit einer Masse von 100 – 200 Millionen Nervenzellen übersteigt das Bauchhirn die Größe des Nervensystems des Rückenmarks deutlich – wir sehen also, da gibt es ein Zentrum, das eine große Aufgabe haben muss.
Warum wir vom “Bauchhirn” sprechen: der Darm arbeitet weitgehend autonom. Von der Regelung der Durchblutung bis zur Resorption (der Aufnahme lebenswichtiger Nahrungsbestandteile) befähigt er sämtliche Strukturen und arbeitet dabei eng mit dem Immunsystem und den den Darm besiedelnden Keimen zusammen. Auch die “Blut-Hirn-Schranke” – jene Barriere, die unsere zentralen Nervenzellen schützt, ist auf eine intakte Darmflora angewiesen, die wiederum auf ein intaktes Immunsystem vertrauen muss. Wir erkennen hier erste Zusammenhänge zwischen Darm, Hirn und Immunsystem.
So weit, so gut, welche Achse Darm und Hirn bilden wissen wir jetzt allerdings noch immer nicht:
Verbindendes Element ist zum einen der Vagusnerv, seines Zeichens unter anderem Herrscher über alle Funktionen, die mit Entspannung, Regeneration und Ruhe zu tun haben. Zum anderen werden Botenstoffe wie Serotonin, das wir als “Glückshormon” kennen und das bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von depressiven Zuständen eine zentrale Rolle spielt, Dopamin, GABA, Acetylcholin (der Botenstoff des Vagusnervs) und Stoffwechselprodukte des Mikrobioms, das den Darm besiedelt, ausgetauscht. Wir wissen heute, dass die Steuerung der Vorgänge der Darm-Hirn-Achse großteils “Bottom-up”, also vom Darm an das Hirn, erfolgen. Serotonin z. B. entsteht zu über 90 % im Darm, über den Vagusnerv erfolgt wiederum eine Rückkoppelung zum limbischen System, unserer Glückszentrale im Gehirn.
Welche Keime unseren Darm besiedeln spielt eine große Rolle! So beeinflussen sie sowohl unsere Stressresistenz als auch den Zustand unserer Psyche und unser Essverhalten.
Stress & seine Auswirkungen kennt wahrscheinlich jeder. Vom Darmgrummeln bis zu manifesten Beschwerden im Magen-Darm-Trakt – auch ohne organisches Korrelat im Sinne einer Diagnose macht der Darm Probleme und gibt damit Anlass zur Sorge. Wobei: eigentlich kreiiert er die Probleme nicht, er spiegelt sie uns lediglich…
Ein Teufelskreis beginnt: Stress -> Darmprobleme -> noch mehr Stress…..
Die dadurch freigesetzten Stresshormone wirken auf unsere Darmbewohner (das Mikrobiom) ein und bewirken eine Änderung der Keimzusammensetzung, was zu einer Verstärkung der Symptomatik führt.
Die Macht der Darmkeime wirkt sich unter anderem durch den unvorstellbaren Genpool (ca. 8 Millionen Gene), den sie darstellen, der für die Herstellung von Enzymen, Nervenfasern, Botenstoffen und vielem anderen zuständig ist, massiv aus.
Was sagt uns das? Vielleicht sollten wir zur Gesunderhaltung unserer Psyche & unseres körperlichen Wohlbefindens doch auf unser Bauchgefühl hören, bevor unser Bauchhirn uns auf unkomfortable Weise dazu zwingt.
Ich persönlich würde die Darm-Hirn-Achse ja lieber als “Darm-Hirn-Kreislauf” bezeichnen – eines bedingt das andere und geht darin über.
Ja, unser Leben und auch unsere körpereigenen Vorgänge, verlaufen in Kreisen – mal ist ihr Radius größer, mal kleiner, aber stets untrennbar mit allem verbunden, was ist.